J. Monika Walther
Che Faro

Che Faro 2024

Weitere Jahrgänge anzeigen

Che Faro 2023

Che Faro 2022

Che Faro 2021

Che Faro 2020

Che Faro 2019

Che Faro 2018

Che Faro 2017

Che Faro 2016

Che Faro 2015

Che Faro 2014

Che Faro 2013

Che Faro 2012

Che Faro 2011

Che Faro 2010

Che Faro 2009

Che Faro 2008

Che Faro 2007

Che Faro 2006

Che Faro 2005

Che Faro 2004

Che Faro 2003

Che Faro 2002

Che Faro

Was mache ich heute?

Oktober 2004

Holz im Schuppen stapeln, den Hof fegen - dem Herbst zuschauen, im Himmel den abreisenden Enten zuhören. Die Malven blühen noch, die Rosen, der Koriander, noch einmal der Lavendel, die Kürbisranke, die Zucchini – den Hof fegen. Killing – die neuen Kriege, darüber werde ich schreiben. Die alten Kriegsdefinitionen erzählen nicht von den neuen Kriegen, deren Zeugen wir Tag für Tag werden, wir - in dieser westeuropäischen Oase des Luxus.

Ist zu begreifen, dass da draußen viele Todesengel mit Bomben herumlaufen und entscheiden, heute werden die Kinder in Beslan in Geisselhaft genommen, morgen das Hiltonhotel im Sinai zerbombt? Und so weiter und so weiter. Und immer weiter. Und nirgends eine Schamgrenze – irgendeine Grenze. Nein, Krieg rund um die Uhr. Killing, Gott werden, Geißeln nehmen, Enthaupten. Das Sagen haben wollen – das alte gefährliche Spiel geht über in die Arbeit des Tötens – aus so vielen guten Gründen. Wir haben keinen Frieden.

Also: Hof fegen, kochen, den neuen Gedichtband korrigieren.

Daraus dieser Text. Kein Gedicht.

Bestarium

Darf ich meinen Freund vorstellen?

Ja den, den einen von dreien,

die eine von diesen Dreien,

die also, diese Freundin,

die von drei Freundinnen oder Freunden.

Darf ich vorstellen?

Zuerst die Dritte dann die Zweite und so weiter.


Viel weiter geht es dann nicht, es geht gar nicht weiter als bis zum dritten Finger. Bei drei hört es auf. Aber da sind noch Bekannte, sehr gute Bekannte, beste Bekannte, gute und bekannte Bekannte, um mich herumstehende Bekannte, die sich auch bekennen – zu Aldi und Chanel, Dell und -


also bekennende Bekannte sind, jede Bekannte ein Markenzeichen für sich, weniger bekannte Markenzeichen, aber eben mir bekannt oder den mir bekannten Bekannten bekannt, sich selbst und sie halten sich für bekannt. Miteinander und auch mit mir und ich mich mit ihnen. Jede einzelne mir Bekannte verkörpert eine Hoffnung, dass ich mir bekannter werde und sie sich zu mir bekennen, später, nach Aldi und der Frau und dem Mann, später, aber dann doch, später.


Wenn sie sich mit anderen bekannt gemacht haben, also mit jenen, mit denen sie von ganzem Herzen bekannt sein möchten, weil jene ihnen helfen im Leben voran zu kommen. Jene, die sie anschauen, wenn sie mich anschauen, mit einem Blick mich und über mich hinweg zu Jenen, denen sie auffallen wollen, weswegen sie mich mit dem halben Mund anlächeln, mich und ein Auge und der andere halbe Mund und das schräge Gesicht lächelt zu jenen, die auch nicht gemeint, aber wichtiger sind. Später also - wenn sie alle ihre schlechten oder ihre guten Taten getan haben, deren sie sich so gerne schuldig bekennen möchten. Die guten Taten und guten Bekenntnisse und das Gerechte richtig getan. Sagen sie: Ich war’s. Ich! Ich allein, fast allein. Ich besser. Ich! Ich kann nicht anders, weil Protestantin, Ökologin, Feministin, die Welt durchschauende Wissenschaftlerin, Freundin der Alten und Hilflosen. So viel gute und richtige Taten, die getan werden müssen.


Darf ich Ihnen meine Freundin vorstellen, die erste von allen, die drei sind, mehr sind es nicht, aber diese drei, die sind es. Darf ich?


Wenn es mir keine Umstände macht!

Die macht es mir, herumstehend umherum um die drei Freundinnen, rennend. Nach ihnen rennend und nach mir. Im Spagat, dass ich sie halte und mich noch kenne und sie mich dann noch kennen und ich mich kenne und -

die letzte Kundin kann auf mich pfeifen.


Also: Hof fegen, das wird noch eine Weile Pflicht sein. Und schreiben.

J.