J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

August 2007

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Gelesen habe ich in dem Roman "Am Gletscher" von Halldor Laxness, dass es zuerst um das Wollen geht, danach ist der Rest Technik. Ist es so? Geht das so?

Mit dem Wollen und Wünschen ist es ja nicht so einfach, weil meist sehr logisch Erwachsene und Klügere dem Kind erklärten, dass nichts von dem, was da gewünscht wird, möglich sein wird. Dass siebenjährige Kinder 1952 nichts in Afrika zu suchen haben, auch wenn sie da unbedingt hinwollen, das leuchtet mir ja ein, aber warum kein Klavierunterricht, außer ich hatte einen Groschen ergattert und trug ihn zu einer Klavierlehrerin, einer jüngeren Frau, die arm war, weil nach dem Krieg 1945 sehr viele Dinge wichtiger schienen, als Klavierspielen zu lernen.

Das Wollen wurde uns Kindern ausgetrieben, wir hatten zu funktionieren, uns einzufügen, nicht zu viele Fragen zu stellen, zu sprechen, wenn wir gefragt wurden, bei Tische still zu sein, auch in der Schule, im Osten wie im Westen, hatten wir still zu sein. Also waren wir still und schrieen uns in den Ruinen, auf der Straße, in den Hinterhöfen die Seele aus dem Leib und lebten unser Kinderleben, in dem wir Könige und Piraten waren und davon träumten in anderen Ländern zu leben, unsere eigenen Herrscher zu sein. Königinnen, Piratinnen. Wir waren wer und brüllten - und dann waren wir am Abendbrottisch lieb.

Ich erinnere den Wunsch, Cello spielen zu lernen und auf ein Musikgymnasium zu gehen, und immer noch wollte ich in andere Erdteile. Oder wenigstens in ein Internat. Und auf alle Berge, die ich sehen konnte - später dann, als meine Mutter und ich aus der DDR geflüchtet waren, an den Bodensee. Da wollte ich auf alle Berge, das habe ich dann später auch getan.

Dann wollte ich unbedingt Abitur machen und schreiben. Das habe ich auch getan, das war eine Sache des Durchhaltens und Lernens. Und der Leidenschaft. Nach Afrika wollte ich immer noch, da bin ich aber nie angekommen. Dafür in Israel und im Gazastreifen, und in Peru, und im italienischen Stiefelende. In Spanien und Portugal. In Westfalen und den Niederlanden.

Ich erinnere den Wunsch, Klavierspielen zu wollen, es war aber keine Frage der Technik, dieses Wollen umzusetzen; es war offensichtlich immer etwas anderes noch wichtiger: Arbeit, Familie, Geld verdienen, schreiben, Geld verdienen, noch mehr schreiben. Schreiben. Schreiben. Ohne Schreiben kein Leben.

Und dann erinnere ich drei Wünsche: Schreiben; Herumfahren oder nach alter Art Reisen, langsam, Schauen, dasitzen und eine Stunden sehen wie die Donau fließt, wie die Voralpen aus dem Nebel und in der Sonne auftauchen, spüren wie nach einer Grenze die Häuser anders gebaut sind. Und ja: der Wunsch nach einem Märchen mit den drei Prüfungen, nach einem Märchen, in dem die eine und die andere die Bühne der Liebe baut. Aber: und da geht es schon los, dieses Bühnenbauen kann so unterschiedlich aussehen und ausgehen -

Und Fragen hilft da nicht viel. Also nach den Baustoffen der Bühnen, den Bausteinen. Also -

Zu den Fragen: die sind allemal obszön, entweder will ich ja gar nicht wissen, was die Antwort ist oder ich erhoffe mir eine bestimmte Antwort oder ich bin doch bereit, das alles zu hören, was mir geantwortet bin und bin in keiner Weise dem Gesagten gewachsen und winde mich, um nicht zu hören, oder höre etwas heraus, was nie gesagt wurde oder versperre meine Ohren und meine Seele. Es ist so oder so eine Obszönität Oder ich bin doch allen Antworten gewachsen, weil ich gar nicht mehr da bin -

Was mache ich heute? Meinen Koffer packen und wegfahren. Ja, endlich Ferien. Zwei Wochen nichts müssen. Das ist schon ein kleines Glück. Wobei: die Sache mit der Technik ist jetzt verloren gegangen. Etwas Wünschen und Wollen, und dann die Technik, wie komme ich dahin. Also, wenn ich etwas will, dann komme ich auch nach Halifax. Ich hoffe doch. Und dass mich da jemand findet, hoffe ich auch.

J.