J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

Februar 2008

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Ein neues Jahr und es gibt drei Fragen - eine davon ist die Frage, warum der Säntis, jener Berg, den man an klaren Tagen sogar vom Stuttgarter Fernsehturm aus wahrnehmen kann, weniger hoch sein soll als sechstausend Meter; es gibt welche, die behaupten, er sei nur zweitausendfünfhundert Meter hoch über dem Meeresspiegel. Als Kind schien er mir sehr hoch. Aber ja, ich weiß es, der Säntis ist nur 2 500 Meter über dem Meeresspiegel. Zum Ausgleich für die fehlenden 4 500 Meter gibt es auf dem Säntis eine Radiostation oder genauer es gibt Radio Säntis. Und jetzt werde ich diesen Berg nie wieder erwähnen. Oder doch? Wiedersehen möchte ich ihn gerne.

Dann existiert die Frage, ob es einen Nationalcharakter gibt, also einen deutschen, einen niederländischen, polnischen und so weiter - und inwieweit dieser die Liebe beeinflusst oder nützlich für die Liebe ist? Auf jeden Fall verlaufen in jedem Land, auch innerhalb Europas, die Ehen, Partnerschaften und Lieben anders. Dazu gibt es reichlich Untersuchungen aller Art und Fachrichtungen. Und natürlich gibt es den Nationalcharakter, also den Angehörigen einer Nation zugeschriebenen besonderen Charakter, aber da geht es dann schon mit den Vorurteilen los. Es wird gesagt, die Schweizer und auch die Schweizerinnen seien langsam und sehr sauber, die Niederländer wahre Krauter, die immer an ihren Vorteil denken, die Deutschen ängstlich, voller Selbstmitleid, überheblich und ordnungsliebend. Und nun stellen wir uns die dazu passenden Lieben und Ehen vor...

Es gibt zum Dritten die Frage, warum jemand nicht da ankommt, wo er hin will oder sagt, dass er sie es hin will. Also warum komme ich nicht in Sizilien an, wenn ich sage, da möchte ich hin? Liegt es am Geld? Das glaube ich mir nicht; es gab Zeiten, da bin ich ohne Geld noch ganz woanders hingefahren. Oder warum kommt Euridice nicht mehr aus der Hölle weg, warum besteht sie darauf, dass Orpheus sich zu ihr umdreht, sie anschaut und sagt, dass er sie liebt? Ja, er wandte sich zu ihr um und war seine Ehefrau damit los, also jene, die da auf dem Weg aus der Hölle Liebesbeweise wollte. Und Euridice, warum nötigt sie Orpheus, sie anzuschauen, statt zügig voran zu gehen, um dem Tod zu entkommen? Oder warum kommt jemand nicht im Hotel Waldhaus an, - für diese Werbung bekomme ich nichts bezahlt - das Hotel liegt über Sils Maria, nahe bei St. Moritz, - also warum kommt jemand nicht dort an, wo er sie es hin will im Leben? Oder wird nur behauptet, wohin zu wollen, beabsichtigt etwas zu tun, aber nur um damit andere zu beschäftigen oder auch, um mit diesen Zielen in der Ferne besser da zu stehen?

Warum Frau S., nicht im Hotel Waldhaus ankommt, dann aber doch die Stelle als Hotelpianistin dort bekommt, darüber habe ich gerade geschrieben: Frau S. hat sich einfach als Frau S. aus ihrem Leben verabschiedet, einem Mann Geld weggenommen und ihn zu Tode gebracht: sie wollte das Geld, aber nicht den Mann. Sie wollte auch nicht mehr Frau S. sein. Sie hat sich ihren Traum erfüllt.

Ist es so, dass wir nichts riskieren, uns nicht trauen, also weggehen und dableiben wollen? Alles behalten und doch den Ritt über den Bodensee wagen, möglichst ohne nass zu werden? Ich werde nicht nur bei mir misstrauisch, wenn jemand sagt, ich will so nicht leben und dann tut sich nichts, gar nichts; nur der Satz ist öfter zu hören. Oder stehen diese Orte und Ziele für die Suche nach ein bisschen Glück? Oder nach dem Wunder, dass andere das Glück bringen und deshalb so viele nicht da ankommen, wo sie angeblich hinwollen?

Woher kommen nun diese drei Fragen im neuen Jahr? Es waren Fragen, um Geschichten zu schreiben, um eine geplante Lesung zu zweit im Dialog zu schreiben, aber erst einmal entstand meine Erzählung: Warum Frau S. noch nie im Hotel Waldhaus war.

Was tue ich heute? Arbeiten, schreiben, eine Abrechnung für eine Erzählung über vierzig Euro bestaunen - und davon träumen, ob ich woanders wäre -

Und was wünsche ich mir? Jetzt? Geld!

Jay