J. Monika Walther
Che Faro

Che Faro 2024

Weitere Jahrgänge anzeigen

Che Faro 2023

Che Faro 2022

Che Faro 2021

Che Faro 2020

Che Faro 2019

Che Faro 2018

Che Faro 2017

Che Faro 2016

Che Faro 2015

Che Faro 2014

Che Faro 2013

Che Faro 2012

Che Faro 2011

Che Faro 2010

Che Faro 2009

Che Faro 2008

Che Faro 2007

Che Faro 2006

Che Faro 2005

Che Faro 2004

Che Faro 2003

Che Faro 2002

Che Faro

Was mache ich heute?

September 2009

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Marcel Möhring setzte vor seinen neuen Roman „Der nächtige Ort“, in dem jeder Feldweg und jede Straße wieder zu erkennen ist in und um Aßen (NL) herum: „Dies ist ein Roman. Nichts in diesem Buch ist wahr.“ Aber so läuft das nicht. Aus irgendeinem Grund der Eitelkeiten wollen Menschen wieder erkennen, ob es passt oder nicht. Das, was gerade beschäftigt, wird gefunden und erkannt.

Das four letter word „wahr“ funkelt wie ein Diamant; es hält die Schlüsse offen, auch wenn es das Sagen und Meinen bekräftigt. Es hält uns von dem Glauben ab, im Besitz der Wahrheit zu sein. Denn im Namen der Wahrheit ist millionenfach gemordet und verurteilt und beurteilt worden. Im Namen von wahr/richtig und falsch finden bestenfalls Götzendienste für die absoluten Wahrheiten statt.

„Inmitten des Lebens am Rand des Lebens zu stehen – im leeren Abteil eines vollen Zuges, übrig geblieben am Ende eines Fests, unterwegs im Lärm der Stadt: Das ist die Stellung des höchsten Glücks wie des höchsten Unglücks….“, schreibt Martin Seel. Und so geht es mir, auf Aufschub für Glück und Unglück hoffen, war in Berlin, saß inmitten des Lärm und war glücklich, schrieb in meinem Hotelzimmer an dem Roman „Goldbroiler oder die Beschreibung einer Schlacht“, und war zufrieden. War an der Oder, in Kietz und Küstrin. Keine Grenzen mehr, keine Warteschlangen, keine Polizei. Bei mir immer noch ein Staunen.

Im zwölften Stock meines Hotels, gelegen am Rand von Friedrichshain und Prenzlauer Berg, gab es eine Sky Bar: Über Berlin konnte ich in der Dunkelheit sehen, in alle vier Himmelsrichtungen schauen und sehr kühle Mojitos trinken. Eine Kollegin kommt, erzählt davon, dass sie für ein Team arbeitet, das Nachrichten, Reality, Wahrheiten gestaltet. Und sie erzählt von dem Berlin, das wir von da oben leuchten sehen. Ein kleines Glück.

Aber so läuft das nicht. Selbst dann nicht, wenn ich für eine der Fähren ein Ticket hätte, die den Passagieren beliebig viele Hin- und Herfahrten erlaubt, tagelanges Hin- und Herfahren in Gesellschaft. Immer in Bewegung. Ich fahre fort und komme an, wo ich war und bin, wo ich abfahre.

Und was wünsche ich mir? Eine Fähre, die diese Tickets verkauft.

Und was tue ich heute? Es gelingt mehr oder weniger. Roman korrigieren. Korrigieren.

Jay