J. Monika Walther
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Was mache ich heute?

September 2011

Che farò senza Euridice, che farò senza il mio ben', dove andrò...

Sagt Orpheus: Wir werden nie mehr den Neun Uhr Bus nehmen und ich werde dich nie mehr fragen, hast du den Herd ausgemacht, das Bügeleisen, die Tür abgeschlossen? Orpheus steht mit einer hochgezogenen Augenbraue (links) vor seinem verschuldeten griechischen Eigenheim (ach nein, das ist eine andere Geschichte) und denkt: Rasen muss gemäht werden, Geld habe ich keines und Lust habe ich auch keine. Er dreht sich um und geht zurück in die Stadt, direkt mitten in den Crash der Eliten. Er kann singen.

Sagt Euridice: Wir werden uns an alles nur noch erinnern. Und fragen: wer sind die Toten, diese Frau im Hades in ihrem engen Kleid, dass ich Orpheus zu liebe anzog und jener Mann ohne Kopf, exekutiert, kein Unbekannter in diesem Viertel und kein Unbekannter in Griechenland (aber das ist eine andere Geschichte mit den Rettungsschirmen und den Zeiten, wenn Maß und Moral verloren sind und die Diktatur der kapitalistischen Eliten weltweit um sich greift), der sich umdrehte, mich ansah, aber nicht erkannte, um dann allein in unser kleines Haus zurück zu kehren, während ich mit dem Herrn der Hölle tanzte.

Sagt Orpheus (mit hohem Ton): Wir haben unsere Leben zu leben.

Sagt Euridice: Dann, lass mich in der Hölle küssen, während du von Frauen zerrissen wirst und dein Kopf im Meer treibt.

Sagt Orpheus: So habe ich das nicht gemeint. Was habe ich mit deinen Küssen zu tun. Sagt Euridice etwas ironisch: Du hast mit nichts etwas zu tun, aber dennoch geschieht dies und das. Du fährst mit deiner Familie jedes Jahr in Urlaub und lässt mich zurück. Sagt Orpheus: Was hat meine Liebe zu dir mit meiner Familie zu tun? Sagt Euridice: Bevor ich verloren bin, muss sich die Hölle öffnen wie eine rote Rose. Sagt Orpheus schmollend: Da wo du bist, ist nicht Orpheus. Aber ich liebe mich durch dich und liebe dich in mir. Sagt Euridice: Du bist, weil ich in der Hölle verschwinde. Du wirst eine andere finden. Das ist nicht schwer. Sagt Orpheus: Was soll ich ohne dich tun? Sagt Euridice: Ich gehöre mir nicht mehr. Dann tanzt sie in ihrem Kleid, dass sie Orpheus zuliebe anzog, am Pool und fällt in die Hölle, während Orpheus singt und singend die Welt bezwingen will, auch seine Schulden. Er findet eine andere Frau.

Die Orte, wo heute Politik gemacht wird, sind nicht mehr die Parlamente, sondern die Marktplätze, an denen nur Finanzinteressen gelten. Hier handeln Leute, deren einziger Einfall zum Klimawandel der Handel mit Schadstoffzertifikaten ist. Aber der Krieg um Ressourcen wird uns zwingen, Alternativen zu finden. In uns, in unserem Handeln. Es wird überlebenswichtig, sich für eine nicht kapitalistisch orientierte Gesellschaft einzusetzen.

Was wünsche ich mir? Noch ein paar Sonnentage. Draußen sein. Von allem anderen sage ich nichts.

Was tue ich heute: Schreiben. Den Goldstaubwettbewerb der Autorinnenvereinigung ausschreiben. Thema: „Wenige Schritte weiter, und drüben war die Freiheit“ (Michèle Minelli).

Und: Was sind Lügen? Außer ein arg großes Thema -

Also: Heute ist ein sonniger warmer Tag. Die Krähen flattern, die Enten tun so als sei Frühling, die Spatzen haben dicke glänzende Bäuche, viele Stare sitzen in den Bäumen und die Eichhörnchen sammeln Haselnüsse und Pflaumenkerne ein. Die Schalen schmeißen sie dann im Winter unsereins an den Kopf.

Jay